Blender 3 ist komplex, aber bedienbar
Die Bildidee war die Darstellung von zwei sehr unterschiedlichen Stühlen, eben aus sehr unterschiedlichen Epochen, die dann illustrieren sollen, dass es für jede Zeit einen typischen Stuhl gibt: „Alles hat seine Zeit“. Hier ein vorhandenes Bild zu finden, schien schwierig und war es auch. Eine Montage aus zwei Stuhlbilder wäre sehr aufwendig geworden, da jeder Stuhl doch in der richtigen Perspektive und passender Beleuchtung gefunden werden müsste. Eigentlich die richtige Aufgabe für eine Illustration „von Hand“, wenn nicht dem fotografischen Eindruck der Vorzug gegeben worden wäre.
Ich hatte schon gesehen, dass es durchaus passende Stühle als 3D-Modelle gab, die man ja nur in der richtigen Software passend arrangieren müsste. Also war das richtige Gelegenheit, jetzt mal auszuprobieren, ob es möglich ist, mit aktueller 3D-Software ein passables, fotorealistisches Bild zu erzeugen.
Mit Blender 3.3 hatte ich die damals aktuellste Version des Open-Source Programmpakets verwendet. Vor Jahren hatte ich Blender schon mal angetestet, aber schnell frustiert nicht mehr benutzt. „Viel zu kompliziert und undurchschaubar“ war mein damaliger Eindruck. Aber Blender wird kontinuierlich weiterentwickelt und soll in der Bedienbarkeit zugänglicher geworden sein. Also wurde das Programm heruntergeladen und installiert, was schon mal problemlos gelang. Um nicht wieder einfach draufloszulegen, konsultierte ich erstmal einige Videotutorials, um mir die Bedienung und das Konzept von Blender anzueignen.

Dazu war das fünfteilige Tutorial vom Lichtspieler auf youtube eine sehr große Hilfe, die ich empfehlen kann. Schon im ersten Tutorial lernt man in 30 Minuten die grundlegenden Dinge wie die Navigation des eigenen Blickpunkts (Viewport), wie man Objekte erstellt, bewegt und modifiziert, wie man dem Objekt ein Material zuweist, das Shading einstellt, bis hin zum ersten Rendering des ersten Bilds (siehe nebenstehendes Bild meines ersten Würfels). Das motiviert, wenn man schon nach kurzer Zeit sein erstes Rendering eines Würfels bewundern kann. Ein Programm wie Blender kann man nicht mit trial and error erlernen, da ist die Zeit zum Lernen gut angelegte Zeit, die sich später auszahlt.
Wenn man die ersten Objekte importieren und etwas modifizieren kann, muss man nur noch für die richtige Beleuchtung sorgen. Auch das ist schon keine leichte Aufgabe. Man kann verschiedenartige Scheinwerfer einsetzen und einstellen, kann die Umgebungsbeleuchtung beeinflussen etc. Mit den verschiedenen Rendermodi hat man immer die Qual der Wahl zwischen schnellem Bildaufbau oder realistischer Vorschau mit Wartezeiten. Für das Endergebnis wurden dann 3D-Stuhl-Modelle von Adobe Stock eingekauft. Der alte, gemütliche Sessel hatte allerdings eine etwas langweilige, beige Oberfläche, die gegen ein auffälligeres Rot auszutauschen war. Das könnte man vielleicht auch in Blender einstellen, aber es erwies sich als möglich, die Bilddatei mit der Oberfläche (Cloth Material Base Color) in einer Bildbearbeitung umzufärben und neu zuzuweisen.
Prinzipiell besteht jedes Objekt nicht nur aus der (geometrischen) Oberfläche, richtig lebendig wird es erst mit dem richtigen Material für die Oberfläche. Und das besteht meist aus mehreren Bilddateien, die unterscheidliche Eigenschaften darstellen: eine Textur, die auf die Oberflächen projiziert (gemapped) wird, die Unebenheit (Normal), die Rauhheit (Roughness) und die Farbe (Color). Und alle diese Eigenschaften müssen in die richtige Verbindung gebracht werden (im Shading Editor).
Nach sieben Versionen und einer hinzugefügten Pflanze war dann die endgültige Bildfassung erreicht. Das Rendering eines Bildes in der Druckauflösung (3.000 × 3.000 Pixel) dauerte immerhin 20 bis 30 Minuten. Da versteht man dann schon, das 3D-Bildakrobaten viel Geld für leistungsfähige Hardware ausgeben.
Veröffentlicht: 13.12.2022Kategorien: Illustration Digitales